Samstag, 28. April 2018

Der Wahlbetrug in Honduras und die vom US-Drogenkrieg finanzierte Korruption



The Intercept-Autorin Danielle Mackey berichtet über den Zusammenhang zwischen Korruption, Wahlbetrug, Drogenhandel und US-Politik im Verbund mit lokalen Eliten

Seit den Wahlen am 26. November 2017 in Honduras reißen die Proteste gegen
In der Nacht vom 2. Dezember 2017 protestierte eine honduranische Frau in der ländlich geprägten Provinz Olancho gegen das, was in ihren Augen eine gestohlene Wahl war. Die im achten Monat schwangere Frau stand auf der Straße in offener Missachtung der Ausgangssperre und zusammen mit einer rebellischen Menge skandierte sie “Fuera JOH!” (“JOH verschwinde!”), Dies bezog sich auf den amtierenden Präsident Juan Orlando Hernández, der nach allgemeiner Meinung die Wahlen zu seinen Gunsten manipuliert hatte, um an der Macht zu bleiben. Honduranisches Militär und Polizei strömte in die Straßen, um die Ausgangssperre durchzusetzen, und die Frau wurde von einem Soldaten in den Bauch geschossen, wie berichtet wird. Sie wurde in eine nahegelegene Klinik gebracht, wo ihr Baby per Notoperation mit Kaiserschnitt zur Welt kam. Das Kind wurde mit einer Schusswunde im Bein geboren.
 
Ausgangssperre und Gewalt hatten sich an einer merkwürdigen und umstrittenen Wahl entzündet. Am Tag vor der Wahl veröffentliche The Economist Indizien für systematisch geplanten Betrug seitens Hernández’ Nationaler Partei. Am nächsten Tag, dem 26. November, erschienen die Wahlergebnisse stückchenweise: erst ein substantieller Vorsprung von Hernández’ Opponent, Salvador Nasralla, worauf dann das elektronische Wahlsystem zusammenbrach. Nach dessen Neustart gewann Hernández, der schließlich mit geringem Vorsprung zum Sieger erklärt wurde. Internationale Beobachter vermerkten "starke Anzeichen von Wahlfälschung", und eine teilweise Nachzählung gab den Sieg immer noch Hernández. Geballter Protest und vom Militär besetzte Straßen folgten. Bis zum 22. Dezember zählten Menschenrechtsorganisationen über dreißig von den Sicherheitskräften getötete Menschen, von denen mindestens vier unter 18 waren.

Nach der Geburt ihres verwundeten Babys überwies der Krankenhausarzt Mutter und Kind in eine Klinik in Olancho zur fachgerechten Versorgung. Erschrocken von dieserm Erlebnis zeigte der Doktor einigen Kollegen Bilder, die er von den Patienten gemacht hatte und die er sorgfältig bearbeitet hatte, um die Gesichter zu verbergen. Nachdem jemand die Fotos auf Facebook hochgeladen hatte, bekam der Arzt Todesdrohungen. Aus Sorge um seine Sicherheit weigerte er sich, öffentlich über den Fall zu sprechen, wer ihn bedrohte weiß er nicht. In dieser Provinz herrscht das Gefühl, Gefahr könne von überall her kommen.

"Ich weiß, es klingt nach Verschwörungstheorie", sagte mir ein Journalist aus Olancho, der mit dem Fall des Kindes vertraut war, "aber Olancho und der ganze östliche Landesteil sind mit einer Art Nebel bedeckt, und zwar in erster Linie wegen der Drogen, die hier durchgehen." Der Journalist bat, wie jeder andere auch, aus Angst um Anonymität. Die Großmutter des Journalisten arbeitete auf einem Bauernhof in Olancho, auf dem 14 Menschen, darunter Geistliche, 1975 in einem Massaker bei Protesten wegen der Landreform getötet wurden. Drei weitere Familienmitglieder starben gewaltsam zwischen 2012 und 2014, zwei von ihnen in Olancho. Und in den folgenden beiden Jahren verließen 19 seiner Familienmitglieder die Provinz in Richtung USA, ohne Papiere und verzweifelt.
Ähnliche Geschichten gibt es in Hülle und Fülle. Tatsächlich durchdringt diese Realität Honduras, auch wenn sie in Olancho einen besonderen Charakter hat. Und der wurzelt in Korruption, wie sie seit Generationen von honduranischer und internationaler Elite betrieben wird. Vor solchem Hintergrund tobt der Konflikt um die Wahl 2017 – ein Brandherd, in den man sogar als Opfer von Waffengewalt hineingeboren werden kann.

Olancho ist der "Wilde Westen" von Honduras, ein Spitzname, der sogar von der US-Botschaft benutzt wird. Dazu gibt es eine ganze Liste vergleichbarer Slogans: "Die Souveräne Republik Olancho", in die man "leicht hinein, aber schwer wieder herauskommt", und wo die herumstolzierenden bewaffneten Cowboys die "Olan-Machos" genannt werden. In seiner Geschichte wurde es geprägt von dreimaligem Goldrausch-Geschäften, die wenige vermögend machten: Viehzucht, Holzfällerei und Bergbau. Olancho ist der Geburtsort eines legendären Banditen, das Land der Familien, die sich zu rivalisierenden Clans entwickelten und deren Bewohner als Nationalität zunächst "Olanchano" für sich in Anspruch nehmen. Und passend zu seinem autonomen Charakter ist Olancho politisch unterteilt: Das eine Ballungszentrum, Juticalpa, ist Heimat des Viehzüchters und früheren Präsidenten von der rechten Nationalpartei, Porfirio Lobo. Juticalpa ist ihr gegenüber demzufolge loyal. Das andere Ballungszentrum, Catacamas, favorisiert Manuel Zelaya, den dort aufgewachsenen Waldbesitzer, der spätere linksgerichtete Präsident, der im Putsch 2009 gestürzt wurde. Der restliche Teil von Olancho liegt irgendwo dazwischen oder auch nirgendwo, wie ein weiteres Motto dieser Provinz die Aufteilung beschreibt: "Tierra de nadie", Niemandsland.

Die Provinz Olancho ist größer als das gesamte Nachbarland El Salvador, sie reicht über einen Großteil des östlichen Honduras. Diese Region ist besonders seit 2006 schlimm dran, als der Druck des US-amerikanischen Drogenkrieges den Großteil des Drogenhandels von seinen ursprünglichen Routen weg und direkt durch Zentralamerika umleitete. Olancho und das von ihm dominierte östliche honduranische Randgebiet wurde zum Durchgangskorridor: Im Süden die Landgrenze zu Nicaragua, im Norden und Osten die Karibik, die auch als Seegrenze zu den Produzenten in Südamerika und den Konsumenten im Norden fungiert. Die Drogen werden durchgeschoben, ob sie nun schwimmen, fahren oder fliegen. "Unser Problem ist geopolitisch - daran besteht kein Zweifel", sagt die Menschenrechtsaktivistin Bertha Oliva, aus Olancho bei einem Interview in ihrem Büro in Tegucigalpa.

Olancho ist wunderschön, mit erhabenen Nebelwäldern, die mit Orchideen bewachsen sind und mit Süßwasser, das majestätische Klippen hinunterstürzt und in Tieflandregenwälder oder smaragdgrüne Weiden und Täler mündet. Aber unter dieser Oberfläche verbirgt sich eine düstere Geschichte, die nur indirekt sichtbar wird. Wie etwa an den weiß gestrichenen Zaunpfählen entlang der Olancho Autobahn: Eine Ranch, die bis vor kurzem Juan Ramón Matta-Ballesteros gehört hatte, dem Mann, der von der CIA mit dem Betrieb ihrer Flugzeuge während der Iran-Contra-Affäre beauftragt war und der später den Zusammenschluss der kolumbianischen und mexikanischen Kartelle in Zentralamerika arrangierte. Oder ein unscheinbares Stuckgebäude in einer Bucht abseits einer anderen Überlandstraße mit einem verwitterten Metallschild am Eingang: "El Aguacate Military Runway" - einst der Landeplatz für verdeckte, illegale US-Lieferungen auf dem Weg zu den Contras in Nicaragua.

Jahre später sind die Olanchanos mit neuem Terror konfrontiert - nun nicht länger imperialistische Aufstandsbekämpfung, sondern Drogenhandel. Sie erinnern sich an diese Zeit als die der "freien Bahn". Drogenflugzeuge nutzten Autobahnen um Mitternacht als Landebahnen. Schusssichere Fahrzeuge fuhren ohne Nummernschilder durch die Gegend, alle anderen hingegen mussten mit offenen Scheiben fahren, damit sie leicht als harmlose Anwohner erkennbar sind. Es gab ständig Schießereien und Auftragsmorde an Leuten, die den Narcos unerwünscht waren: Gang-Mitglieder, Transgender-Frauen, Straßenkinder. Und Kokain für den privaten Verbrauch war überall zu bekommen, an der nächsten Ecke, im Park, im Obstladen des Viertels. Die Narcos bezahlten ihre Olanchanos oft in Naturalien.
Daten der Anti-Drogen Datenbank der US-Regierung zeigen, dass die in Honduras beschlagnahmte Menge an Kokain sich von 2005 bis 2006 auf 21.320 Kilogramm verdreifachte. So blieb es bis 2009, dem Jahr des Putsches, als sie auf 70.272 nach oben schoss. Und zwischen 2010 und 2011 wurden fast 250.000 Kilo Kokain in Honduras konfisziert, wie US-Regierungsstellen mitteilten.

Dann begann Tegucigalpa mit Washingtoner Unterstützung hart durchzugreifen , was ab 2011 für die Olanchanos sichtbar wurde. Als "Cobras" und "Tigres" bekannte Einheiten der Spezialpolizei, begleitet vom Militär und Vertretern der Staatsanwaltschaft, stürmten im Verlauf der nächsten Jahre Gutshäuser, Hotels, Baufirmen, Fleischfabriken, Rathausbüros, Fabriklager, Bergwerke und private Zoos überall in Olancho. Die Cobras blieben und hielten einige Gebiete besetzt. Anwohner berichteten von Beamten der US-Drogenbehörde (Drug Enforcement Administration, DEA), die häufig die Einsätze begleiteten. US-Behörden berichteten von einer Abnahme der konfiszierten Drogen auf etwas mehr als 68.000 Kilo im Jahre 2012 und bis 2014 war die Menge auf etwa 30.000 gesunken. Als Reaktion auf diese Repression gingen die Narcos in den Untergrund.

Aber die Narcos, die in Olancho über die Stränge schlugen, waren nicht die Herren des Spiels: seine Großmeister sind die Eliten. Im Januar 2015 war der Chef eines der Olancho-Kartells, der Cachiros, unter den Verhafteten, der dan ausgeliefert wurde um im New Yorker Süddistrikt vor Gericht gestellt zu werden. Dort angeklagt verwies Devis Leonel Rivera Maradiaga die DEA auf Fabio Lobo, den Sohn des Olancho-Viehzüchters und früheren Präsidenten. Fabio wurde später in Haiti festgesetzt und seine persönliche Polizistentruppe, die für problemlosen Drogentransport sorgte, wurde in Honduras festgenommen.

Dann wurde Hernández’ Bruder nach Washington beordert, um Fragen zu seiner offensichtlichen Verbindung zu einem großen Drogenhändler zu beantworten. Im selben Monat und in einem anderen Fall, als ein mexikanischer, von der DEA umgedrehter Drogenhändler vom Gericht befragt wurde, wer ihm geholfen habe, die Drogen durch Honduras zu bringen, benannte dieser den gegenwärtigen Sicherheitsminister von Hernández, Julian Pacheco, einen Langzeit-Alliierten des US-Militärs und Absolvent der School of the Americas in Fort Benning, Georgia. Dieser Informant erklärte auch, es sei Lobos Sohn gewesen, der ihn Pacheco vorgestellt habe.

Olanchanos lassen sich nicht täuschen, sie wissen, dass die Führer des Drogen-Spiels die immer gleichen korrupten Netzwerke sind. Die Straßen mögen jetzt ruhiger sein, aber sie herrschen regieren immer noch und machen ihre Präsenz deutlich.
Die Olanchanos erkennen die Spuren der Drogennetzwerke, weil sie dort fremd sind, "fuera de lugar". Zum Beispiel importiertes deutsches Bier in maroden Kühlschränken überall in Catacamas in Läden an der Ecke, um die teuren Geschmäcker zu bedienen, die nicht von hier sind. Der Dienstsitz des Bürgermeisters in Concordia, gebaut wie eine Festung, an den angelehnt Wohnstätten der Anwohner, Lehm- und Bretterbuden. Sichtungen von plötzlich auftauchenden Luxuslimousinen und mäandernde Schotterstraßen. Elegische Gedichtbände, die an Tankstellen in Juticalpa verkauft werden und in denen dem früheren Bürgermeister Ramón Sarmiento gehuldigt wird, festgenommen wegen illegalen Waffenbesitzes.
Eine andere Spur ihrer Präsenz ist groß genug, um vom Weltraum aus erkennbar zu sein: Im Sommer 2015 traf sich eine Gruppe Wissenschaftler in einem Hörsaal der Universität von Arizona. Sie untersuchten das, was sie Drogen-Kahlschlag nennen: wegen des Drogenhandels herausgerissene Bäume. Plötzlich schnappte einer der Forscher nach Luft, drehte seinen Monitor, so dass alle es sehen konnten. Ein honduranischer Kollege hatte ein Satellitenbild auf Facebook hochgeladen, auf dem das Zentrum eines geschützten Regenwaldes, der sich durch Olancho zieht, das Río Plátano Biosphärenreservat, zu sehen ist. Das Bild zeigte einen Friedhof abgehackter Bäumen. Das Ausmaß des Gemetzels war mit ziemlicher Sicherheit zu groß und alles war zu schnell geschehen, um mit anderen Mitteln als Drogen finanziert zu werden.

Mark Bonta, Geograph an der Penn State Altoona, ist einer dieser Wissenschaftler, und früher in dem Sommer war er per Lkw über die Lehmpisten ins Herz des Reservats gefahren. Mit ihm drei andere Leute: Oscar, ein Lehrer und Anwalt aus Olancho und José, Bauer und Umweltschützer in Olancho. Ich saß neben José. Für eine Weile sah der Tiefland-Regenwald genau so aus, wie ein 1,3 Millionen Morgen großes, staatlich geschütztes Stück Land aussehen sollte: Gesang tropischer Vögel aus reich belaubtem nassen und dichten Grün. Aber dann führen wir in die Verwüstung. Vor kurzem umgehauene Bäume schwelten noch, ein grauer Friedhof bis zum Horizont. Dies ist, was sie "Siedlungsfront" nennen, der äußerste Rand eines Entwaldungsgebietes.

Im Zeitalter des amerikanischen Drogenkrieges verdoppeln sich Olanchos traditionelle Geschäftslinien - Abholzung, Viehzucht und Bergbau - als Vehikel für Geldwäsche und Drogentransport. Alle führen sie zu Waldvernichtung. Der Holzfäller-Viehzucht-Kreislauf ist besonders wirksam: Haue Bäume mit Drogenprofiten ab, sorge für Weideland, kaufe Vieh und jeder dieser Schritte ist wie ein Zauberstab, der schlechtes Geld in gutes verwandelt und für Rendite auf die Investition sorgt. Wenn es an der Zeit ist, die Drogen aus der Gegend herauszubringen, schicke einen Sattelschlepper voll damit über die Grenze. Kokain wurde in vielen honduranischen Exportprodukten wie Baumstämmen, Vieh, Tomatenmark und Kokosnüssen gefunden.

An dem Tag, als wir weiterfuhren, kamen wir an Weiden auf längst entwaldetem Land vorbei, jetzt grasbewachsene Hügel gesprenkelt mit prächtigen Rindern. Die Szenerie würde in Kentucky nicht fehl am Platz aussehen, aber das hier ist geschützter Regenwald.

Als die Piste an ein paar Häusern vorbeiführte, machten wir einen Zwischenstopp. Ein Mann erklärte uns, er biete Transporte an, mit seinem Lkw fahre er die Straße rauf und runter. Es sei, sagte er, "secreto a voces", ein offenes Geheimnis, dass die meisten Viehfarmen in der Gegend Drogenhändlern gehören. Direkt jenseits des Coco River, der Honduras von Nicaragua trennt und der weiteste Punkt, wo er hinkommt, gebe es, sagte der Mann, große Farmen im Besitz kolumbianischer Drogenhändler. Wir hörten an jenem Tag ähnliche Gerüchte über viele andere Landesteilen: Drogen-Geschäfte, manchmal in Zusammenarbeit mit internationalern Gruppierungen, manchmal auch der einheimischen Kapos, sind verantwortlich für die zerstörten Bäume.

Die von den Wissenschaftlern gemachten Satellitenbilder zeigen aktive Waldvernichtung in fünf honduranischen Nationalparks, darunter das Biosphärenreservat Rio Plátano, eine sich ausbreitende Besiedlungsfront, die sich wie ein horizontaler Gürtel durch das Land zieht. Nicht alles davon ist durch den Drogenhandel erursacht, denn schließlich sind Holzeinschlag und Viehzucht historische Geschäftszweige in der Region. Aber der Drogenzusammenhang ist eine gut begründete wissenschaftliche These und basiert auf Satellitenbildern eines unüblich schnellen Wandels in der Landnutzung auf gut bekannten Drogenrouten und stützt sich auch auf Aussagen von Leuten aus der Gegend und Berichte von Organisationen, die die Entwicklung der Korruption beobachten.
Wir stiegen wieder ins Auto ein und unterwegs ließen wir ein paar Leute aus der Gegend mitfahren, die die Straße entlang liefen. Einer der Passagiere erzählte uns, dass sein Neffe, ein Mechaniker, einen Job in einer Firma im Río Sico-Gebiet des Biosphärenreservats im La Mosquitia-Territorium angenommen hatte (La Mosquitia im Nordosten von Olancho ist der Ort eines schändlichen Massakers mit DEA-Verwicklung). Der Neffe bekam heraus, dass sein neuer Arbeitsort ein Bergwerk im Besitz von kolumbianischen Drogenhändlern war. Er darf nur ab und zu nach Hause, um seinen Verdienst zur Familie zu bringen, wie uns der Passagier sagte.
Er sei einer von vielen, die ohne Absicht in den Dienst von Drogenhändlern gerieten, sagt uns Migdonia Ayestas, die Koordinatorin eines Projekts der Nationalen Autonomen Universität von Honduras oder UNAH, die Daten zur Gewalt sammelt und analysiert. Es ist nicht besonderes, für illegale Arbeit unter der Maske eines ganz normalen Berufs eingestellt zu werden, sagt Ayestas, und es ist schwierig, sich davon loszumachen: Sobald du weißt, dass Drogenhändler im Spiel sind, weißt du zuviel. Den Job zu verlassen bedeutet, abtrünnig zu werden. Drogengeld beeinflusst alles und als Ayestas Project 2014 eine Zuwendung der spanischen Regierung zur Finanzierung der Kampagne bekam, sah sich die Universität gezwungen, das Geld zurückzugeben, wie sie im Interview in ihrem Campus-Büro erklärte. "Wir fanden niemanden, der den Job wollte, die Leute sagen stets 'Woher hat diese politische Kampagne das viele Geld?' Wir wollten eine wissenschaftliche Antwort für das Problem", sagt sie, "Aber es ging nicht, weil keiner sich traute."

Edmundo Orellana, früherer Generalstaatsanwalt, Verteidigungsminister und UN-Botschafter für Honduras, sagte, dass die honduranische Wirtschaft auf Geldwäsche basiert. Als Staatsanwalt habe er nach 1990 begonnen wahrzunehmen, erläutert er im Telefoninterview, wie legale Industrie benutzt wurde, um illegales Geld zu waschen. Mogule und Politiker waren "sehr angetan davon, wie einfach es war, Geld zu machen, aber auch von der Gewissheit, wie unfähig die Justiz war sie zu erwischen." Und dann kam der Drogenkrieg. "Die gegenwärtige Situation von Honduras, in der es Opfer des Drogenhandels und der organisierten Kriminalität im Allgemeinen geworden ist, ist die Schuld der USA“, betont er und fährt fort, es sei US-Strategie, den Drogenkrieg nach Zentralamerika zu bringen. "Was die USA machen, ist von ihrer Warte aus gesehen gut. Aber aus der Perspektive von uns Honduranern hängt das Problem nun an uns." Orellana weist auch auf eine hochrangige lokale Kontrolle des Drogenhandels hin, wie etwa den Fall des Cachiros-Kartells. "Als 2015 jemand aus dem US-Justizministerium jemanden aus der honduranischen Regierung anrief, um die Festnahme und Auslieferung der Cachiros zu verlangen", da, sagt Orellana, brachte die US-Seite eine besondere Sorge vor: Dem Kartell gehörte ein Bauunternehmen, das wiederum zu den von der honduranischen Regierung bevorzugten Auftragnehmern für den Autobahnbau gehörte.

Hernández, seit 2014 im Amt, ist unangenehm nah dran am Drogenhandel - allein in Anbetracht der Vielzahl der Fälle in seiner Amtszeit und wegen der mutmaßlichen Drogenhändler unter seinen eigenen Leuten. Weitere Kritiken betreffen seine Versuche, alle Zweige der Regierung unter seine Kontrolle zu bringen, vom Obersten Gericht bis zum Generalstaatsanwalt, von der obersten Wahlbehörde bis zur Militärpolizei. Dazu kommt noch die Tatsache, dass Honduras unter ihm zum weltweit tödlichsten Ort für Umweltschützer wurde. Diese Realität wird besonders deutlich beim immer noch ungeklärten Mord an Berta Cáceres, aber sie geht weit über diesen Fall hinaus.

Wenn Umweltschützer die Naturressourcen schützen wollen, bedrohen sie den Profit derjenigen, die Land und Wasser zu ihrem Monopol gemacht haben - von denen einige nicht nur die politisch Mächtigen sind, sondern auch nachgewiesene Drogenhändler. Beispielsweise der (verstorbene) Miguel Facussé, der einer der reichsten Geschäftsleute in Zentralamerika war. Sein Unternehmen Dinant wurde in der Vergangenheit durch die Vereinten Nationen unterstützt und jetzt von der Weltbank. Facussé wurde von der US-Regierung des Drogenhandels verdächtigt und Dinant ist immer noch Eigentümer von tausenden Morgen Palmölplantagen auf umstrittenem Land. Weil sie dieses Land verteidigten, wurden über hundert Landarbeiter von Facussés privatem Sicherheitsdienst getötet und zwar zusammen mit honduranischem Militär, was ein anderes Detail des Puzzles zeigt. Wenn Umweltschützer Gestalten wie diesen Widerstand entgegensetzen, sind sie häufig und auf Geheiß der Landbesitzer der Vergeltung staatlicher Sicherheitskräfte ausgesetzt, wie es mit Cáceres geschah. Polizei und Militär von Honduras werden von den USA, Israel und Kolumbien trainiert und jährlich mit Millionen US-Dollars finanziert.

Die US-Regierung wusste immer Bescheid über die einheimische Kleptokratie von Honduras. Eines der eher seltsamen Beispiele war ein aus Tegucigalpa kommendes Telegramm des Außenministeriums über US-Fast-Food Lizenzen in Honduras. Der Autor des Kabels stellte fest, dass die gleiche Handvoll Familien sowohl die Rechte an Marken wie McDonalds, Burger King, Pizza Hut und Pepsi besitzt, als auch von "zweifelhaften" Steuererleichterungen profitiert, die ihnen von einem ihnen gewogenen Kongress scheinbar ohne rechtliche Grundlage gewährt wurden, nur mit der fadenscheinigen Begründung, Gringo-Handelsketten Tourismus bringen. (Ist jemals ein Gringo nach Tegucigalpa gefahren, um dort Big Macs zu verspeisen?) In einem anderen, nach der Wahl von Mel Zelaya geschriebenem Telegramm wird angemerkt, dass Zelayas Schwiegervater ein bekannter Anwalt ist, zu dessen damaligen Mandanten prominente Mitglieder der Nationalpartei gehörten, eigentlich politische Gegner Zelayas. Einer von ihnen war Facussé, Ölpalmenbaron. In dem Kabel wird auch vermerkt, dass Zelayas Vater eine Farm in Olancho hatte, die 1975 der Ort eines Massakers an Landreform-Befürwortern war.
Die verschiedenen US-Regierungen entschieden sich jedoch, diese Oligarchie in besonderem Maß zu fördern, vor allem die Fraktion der politischen Rechten. Präsident Juan Orlando Hernández wird nach Amtsantritt vom US-Außenministerium in einer internen Mitteilung als jemand beschrieben, der "US-Interessen stets unterstützt hat." Hernández machte seinen Master-Abschluss in Öffentlicher Verwaltung an der State University of New York in Albany, und er hat einen Bruder, der umfassende Pflege in einem US-Armeehospital bekam, nachdem er sich bei einem militärischen Fallschirmspringerunfall verletzt hatte.

Nun werden Hernández und seine Nationalpartei allerdings wegen zunehmender Hinweise auf Wahlfälschung weltweit und mit Nachdruck unter die Lupe genommen. Noch zwei Tage nach der Wahl qualifizierte das US-Außenministerium Honduras als ein Land, das gegen Korruption vorgeht, die Menschenrechte achtet und deswegen Millionen US-Dollar Hilfe bekommen kann. Am 2. Dezember verlautbarte die US-Botschaft in Tegucigalpa, sie sei "sehr zufrieden" mit der Stimmennachzählung, "wodurch Bürgerteilnahme und Transparenz maximiert werden". Drei Tage später führte Senator Patrick Leahy einen kleinen Chor der Ablehnung aus dem Kongress an: "Diejenigen von uns, denen Mittelamerika am Herzen liegt, haben die Wahl des nächsten Präsidenten von Honduras mit wachsender Beunruhigung beobachtet", schrieb er. Es sei "ein Prozess ohne Transparenz", und mit "zu viel Betrugsverdacht". Über die "besorgniserregende" Rolle der US-Botschaft in der Krise schrieb der Senator: "Ich hoffe, das ist kein neuer Standard." Tatsächlich scheint das eher ein alter Standard zu sein, wenn nicht sogar eine Tradition.

Am 17. Dezember erklärte die Oberste Wahlbehörde Hernández zum gewählten Präsidenten. In jener Nacht empfahl eine Delegation von Wahlbeobachtern der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) die Aufhebung der Wahlergebnisse und die Abhaltung von Neuwahlen. Trotz zunehmender Aufrufe von US-Senatoren, das OAS-Urteil zu unterstützen, erklärte ein leitender Beamter des Außenministeriums, dass die US-Regierung "nichts erkennen kann, was das endgültige Ergebnis ändern könnte“, solange ihr keine weiteren Betrugshinweise vorgelegt werden. Zwei Tage später besiegelte das Außenministerium Honduras' Geschick, indem es Präsident Hernández zu dessen Sieg gratulierte und einen "robusten nationalen Dialog" anwies, um "den politischen Riß zu heilen" und verwies diejenigen, die Wahlbetrug behaupten, an die honduranische Justiz. Das Ministerium beendete seine Erklärung mit der Aufforderung an die Honduraner, auf Gewalt zu verzichten.
Die Investigativ-Journalistin Danielle Mackay lebt in El Salvador und New York. Ihr Beitrag erschien zuerst am 23. Dezember 2017 bei The Intercept


Wir danken The Intercept für die Erlaubnis zur Übersetzung/Veröffentlichung

Dienstag, 17. April 2018

Aufstand gegen Wahlbetrug - Was wird aus Honduras?

Seit sich im letzten November Juan Orlando Hernández zum Sieger der Präsidentschaftswahlen erklärte, reißen die Proteste nicht ab. Oppositionsgruppen und weite Teile der Bevölkerung sprechen von Wahlbetrug und machen die regierende Nationale Partei für die in den letzten Jahren noch gestiegene Armut und die verheerende Menschenrechtslage verantwortlich. Die staatlichen Sicherheitskräfte gehen teils mit brutaler Gewalt gegen die Proteste vor, was bereits zu fast 40 Toten und hunderten Verletzten und Inhaftierten geführt hat.

Honduras hat schon seit vielen Jahren eine der höchsten Mordraten weltweit und ist ein gefährliches Land für Journalist*innen und Umwelt- oder Menschenrechtsaktivist*innen. Welche Rolle spielen Konflikte um Landverteilung, industrielle Großprojekte oder ausländische Interessen?

Die Referentin Rita Trautmann beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Honduras und ist Mitglied im solidarischen Netzwerk Honduras-Delegation. Sie beleuchtet die aktuelle Situation und die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Hintergründe der derzeitigen Konflikte.


Wann? 16. Mai 2018 ab 19.30 Uhr
Wo? Welthaus HD,  Willy Brandt-­Platz 5, 69115 Heidelberg
Eintritt: 3 / 5 €

Veranstalter: Nicaragua-Forum Heidelberg

Samstag, 14. April 2018

Menschenrechtsanwalt in Honduras ermordet




Der Anwalt Carlos Hernández wurde in Honduras ermordet
Tegucigalpa. Der Rechtsanwalt Carlos Hernández ist am 10. April in seinem Büro in der honduranischen Gemeinde Tela in Atlántida von bisher unbekannten Tätern erschossen worden. Als Verteidiger setzte er sich gegen den Ingelsa-Staudamm am Fluss Jilamito und für die Menschenrechte in Honduras ein.

Hernández vertrat zuletzt den Bürgermeister der Gemeinde Arizona, Arnoldo Chacón, in einem laufenden Strafverfahren. Chacón war Mitglied der Breiten Bewegung für Würde und Gerechtigkeit (Movimiento Amplio por la Dignidad y la Justicia MADJ), die sich gegen Korruption und für Menschenrechte in Honduras und in insbesondere für die Umwelt- und Landrechte indigener Gemeinschaften einsetzt. Mit weiteren Mitgliedern der Organisation widersetzte er sich sich dem Vorhaben, den Staudamm am Fluss Jilamito zu bauen und sie wurden deshalb angeklagt. Chacón sei Opfer von Drohungen, Verfolgungen, Schikanen und illegalen Hausdurchsuchungen durch staatliche Sicherheitskräfte gewesen, weil er sich offen gegen die Erteilung von Baugenehmigungen an das zuständige Unternehmen wehrte, so die MADJ.

Die internationale Menschenrechtsorganisation Witness for Peace fordert dazu auf, die Umstände des Mordes an Hernández gründlich, unparteiisch und transparent zu untersuchen und sicherzustellen, dass er nicht zu einem weiteren Fall von Straflosigkeit wird. Menschenrechtsverteidiger sowie Umwelt- und Landrechtsaktivisten sind in Honduras großer Gefahr ausgesetzt. Sie werden regelmäßig diskreditiert, eingeschüchtert und sogar ermordet, wie das Beispiel von Berta Cáceres zeigt.

Oft kommen die Täter ohne Strafe davon, weil Ermittlungen und Gerichtsverfahren mangelhaft sind oder nicht stattfinden. Trotz formaler Fortschritte in der Gesetzgebung zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern sind diese nicht ausreichend, um umfassende Sicherheit zu gewährleisten. Amnesty International fürchtet sogar, dass die im Jahr 2017 neu erlassenen Gesetze eher zu mehr Willkür und unangemessener Anwendung gegen Menschenrechtsaktivisten führen könnten.

Auch Anwälte werden zunehmend auf Grund ihrer Arbeit bedroht. Von 2010 bis 2016 sind 115 Anwälte gewaltsam ums Leben gekommen. Pro Tag beantragen durchschnittlich zwei Anwälte Schutzmaßnahmen bei der honduranischen Anwaltskammer.

Mittwoch, 11. April 2018

Honduras nach dem Wahlbetrug - Honduras post Fraude electoral

Indigene Bewegung, Diktatur und politische Gefangene

Gespräch mit Bertha Zúniga Cáceres
Koordinatorin des Zivilen Rates der indigenen und Basisorganisationen Honduras (COPINH)

Bertha Zúniga, Tochter der indigenen Menschenrechtsverteidigerin Berta Cáceres, die im März 2016 wegen ihres Engagements in Verteidigung indigener Territorien und Gemeingüter ermordet wurde.
Nach zwei Jahren der Straflosigkeit und Unregelmäßigkeiten bei den Ermittlungen des Verbrechens führt Bertha (Tochter) zusammen mit COPINH den Kampf weiter, fordert Gerechtigkeit und Respekt der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Rechte der Lenca.